Annemie und Peter Teuber standen glücklich im Ziel und nahmen ihren Helden freudestrahlend in die Arme. "Yes, gewonnen, Wahnsinn", rief Michael Teuber seinen stolzen Eltern zu, die den fünften Paralympics-Triumph ihres Sohnes am Strand von Barra live miterlebt hatten.
"Das ist fantastisch. Sie haben mich von Anfang an begleitet, waren schon 2004 in Sydney dabei. Das sind meine treuesten Fans. Es ist toll, dass sie da sind", sagte der 48-Jährige mit der Deutschland-Fahne um die Schultern und einem Strahlen im Gesicht: "Ich bin überglücklich. Es ist alles perfekt aufgegangen. Ich habe ein bisschen Paralympics-Geschichte geschrieben. Viel besser geht’s nicht."
17.000 Kilometer hatte er in der Vorbereitung auf dem Rad gesessen, sich geschunden, Grenzen ausgelotet ("Das macht mich an") für das große Ziel im Zeitfahren – und das erreichte er überlegen: In der Klasse C1 gewann er in 27:53,98 Minuten deutlich vor Ross Wilson aus Kanada (28:47,34).
Es sei für ihn "als Perfektionisten geil, wenn man einen Plan hat und am Tag X alles so funktioniert. Das macht einfach Spaß", sagte Teuber, der seit einem Autounfall 1987 inkomplett querschnittsgelähmt ist. Dies hielt ihn nicht von einem Leben am Limit ab. Mit eisernem Willen kämpfte er sich aus dem Rollstuhl und ließ sich später auch von schweren Verletzungen nicht aus der Bahn werfen.
So erlitt er 2014 nach einem Sturz einen Trümmerbruch im Oberschenkel, fünf Monate später saß er wieder auf dem Rad. Einen seiner größten Träume hatte Teuber sich da schon erfüllt: 2010 bestieg er den fast 6000 Meter hohen Kilimandscharo.
In Rio dann gewann Teuber das Zeitfahren nach 2004, 2008 und 2012 zum vierten Mal in Folge. 2004 war das Zeitfahren noch mit dem normalen Straßenrennen kombiniert worden. Seine weitere Goldmedaille holte Teuber ebenfalls 2004 im Verfolgungsrennen auf der Bahn. Doch in einem Alter, in dem andere sportlich längst im Ruhestand sind, denkt der streitbare und ehrgeizige Bayer noch lange nicht ans Aufhören.
Das mag mancher im Verband nicht gern hören. Teuber zählt zu jenen, die stets sagen, was sie denken. Er legt sich gern mit dem System an. So passte ihm die Wahl von Markus Rehm zum Fahnenträger des deutschen Teams nicht. Beim Deutschen Behindertensportverband (DBS) sorgten die Äußerungen des Münchners für einige Kritik, auch Teamkollegen stellten sich gegen ihn.
"Wir sind Helden zweiter Klasse"
Auch in seiner kurz vor den Paralympics veröffentlichten Autobiografie "Aus eigener Kraft" beschreibt er nicht nur die heile Welt des (Behinderten-)Sports und übt dabei Kritik an der Gesellschaft. "Leistungssportler werden in Deutschland nicht als Elite wahrgenommen", schreibt er im Kapitel "Wir sind Helden zweiter Klasse". Man sitze mit den Olympioniken "irgendwie in einem Boot. Etwas überspitzt formuliert: Nach dem Fußball bilden sie die zweite und wir dann die dritte Klasse".
Teuber wird weiter den Finger in die Wunde legen. Er habe seine "Midlife-Crisis" schon gehabt, "das ist schon ein paar Jahre her". Das Radfahren mache ihm nach wie vor "Riesenspaß, das Alter ist nicht entscheidend. Solange ich so schnell fahren und den Jungen ein Schnippchen schlagen kann, mache ich weiter", sagte Teuber.
Selbst Tokio 2020, es wären seine sechsten Paralympics, mag der unerbittliche Kämpfer nicht ausschließen: "Ich mache hier nicht Schluss! Es muss erst einmal einer seine Puzzleteilchen so zusammensetzen wie Michael Teuber."
Bild: Oliver Kremer